Ich bin etwas verwirrt, vielleicht sogar etwas frustriert. Was war das für ein Tag gestern in Köln? Muss ich etwa wieder dieses Fazit ziehen: Es gibt noch viel zu tun? Schauen wir uns den Tag genauer an:

Anmeldung und Vorbereitung

Das Programm schien etwas “schulverlagslastig”, war aber im Angebot breit gefächert und hörte sich interessant an, da auch mehrere “Lernniveaus” angesprochen wurden.

Ich konnte mich anfangs kaum entscheiden, welche Veranstaltung ich besuchen wollte:

Der Kongress war kostenlos, man sollte sich aber zur besseren Organisation anmelden und so seine präferierten Workshops mit anwählen. Das ging alles online, man bekam auch die Bestätigung per Email sowie letzte Informationen am Tag vorher.

Kleiner Schmunzelfaktor: Man musste die Anmeldebestätigung unbedingt AUSGEDRUCKT mitbringen, da aufgrund der hohen Besucherzahl von 1000 Personen Einlasskontrollen durchgeführt werden sollten.

Eröffnungsvortrag: “Bildung 4.0 – mehr mentale als digitale Transformation!” von Prof Dr Klemens Skibicki

Prädikat: Tolle Präsentation, sehr erfrischender Vortrag, locker und lustig! Zwar sind hier einige Bildvergleiche benutzt worden, die ich schon länger kenne, aber das breite Publikum war überrascht und so ein bisschen mehr “mit ins Boot geholt”:

Erst war ich überrascht, dass so viele Besucher nichts davon kannten, fand es aber dann eher gut, dass sie zu diesem Kongress kamen, um mehr zu erfahren und sich auf “das Digitale” einlassen.

Hier sein Fazit:

Update: Die Medienberatung NRW hat am 28.07.17 die Aufzeichnung des Vortrags veröffentlicht.

Podiumsdikussion: “Wischen statt putzen – wie funktioniert Unterricht im digitalen Zeitalter?”

Nach diesem humorvollen Start ging es leider etwas bergab. Die Podiumsdiskussion mit Sylvia Löhrmann (Ministerin für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen),  Wilmar Diepgrond (Vorsitzender Verband Bildungsmedien e.V.), Wolfgang Vaupel (Geschäftsführer der Medienberatung NRW), Nadya Allam (Schulleiterin der GGS Siegtal, Hennef) und Marc Albrecht-Hermanns (Medienberater im KT Rhein-Kreis Neuss) moderiert durch Matthias Bongard (WDR) startete. Prof. Dr. Klemens Skibicki nahm ebenfalls teil.

Wahrscheinlich ist es den Teilnehmern der Diskussion an sich gar nicht vorzuwerfen, vielleicht liegt es auch an dem Format Podiumsdiskussion. Aber das einzige, was ich aus der Diskussion mitnehmen konnte, waren oft genutzte “Buzzwords”: digital, GuteSchule2020, Medienpass. Leider nichts richtig Konkretes.

Einzig der Medienberater in der Runde, Marc Albrecht-Hermanns, konnte ein paar Beispiele aus der Praxis geben.

Also gönnten meine Freundin und ich mir eine “individuelle Pause” (mein neu gelernter Begriff) mit dem vorbereiteten Kaffee in der Lobby – die Diskussion konnten wir dennoch weiterverfolgen, da sie über Fernseher – und sogar die Lautsprecher in den Toiletten! – übertragen wurde.

Hier war es deutlich netter mit frischen Sachen:

Update: Die Medienberatung NRW hat am 28.07.17 die Aufzeichnung des Vortrags veröffentlicht. So kann sich jeder selbst ein Bild von den diskutierten Themen machen.

“Pause”: Besuch der Bildungsmedienausstellung

Die Enttäuschung von der Diskussion wandelte sich in Erstaunen und eigentlich in einen Schock um: Alle Verlage, die an dem Tag anwesend waren, hatten meterlange Tische mit Tonnen Büchern, Heften und Pappkarten ausgelegt. KEIN einziges digitales Unterrichtsmaterial war dort, zumindest für mich nicht sichtbar. Was soll das?! Es ging sogar so weit, dass die üblichen didacta-Messebesucher mit Rollköfferchen zu sehen waren, um die Schnäppchenkäufe und abgegriffenen “Gratis-Proben” zu verpacken.

 

Workshop: “Die App „BIPARCOURS“ in der historisch-politischen Bildung” von Bildungspartner NRW

Was ist “Biparcours”? Man könnte sagen, es ist die NRW-Variante der bundesweiten App “Actionbound”. Man kann eine Art Schnitzeljagd mit diversen Aufgaben erstellen und die Schüler laufen diese Punkte in Teams ab, lösen die Aufgaben, erhalten Punkte und werden zur nächsten Station weitergeleitet.

Die Vorteile:

  • die App/Website ist kostenlos
  • sie benötigt nur am Anfang Internetzugang, um das “Aufgabenpaket” herunterzuladen
  • während der Schnitzeljagd ist kein Internetzugang nötig*
    * außer man möchte eine Karte mit Wegbeschreibung nutzen, dann braucht man zumindest das GPS-Signal (aber eben kein Internet)
  • die Schüler können ihre bearbeiteten Aufgaben am Ende, wenn sie wieder Internetzugang haben, auf einmal hochladen
  • der Lehrer sieht alle Bearbeitungen aller Gruppen ordentlich gegliedert in seinem Online-Account

Die Vorstellung der App und ihrer Möglichkeiten war wirklich gelungen! Ich kannte die App zwar schon und habe für mich selbst ein bisschen getestet, aber bisher hatte ich sie noch nicht für meinen Unterricht genutzt. Das wird sich hoffentlich bald ändern!

Übrigens: 

Workshop: “LOGINEO NRW – Schule online” von Medienberatung NRW

LogineoNRW soll eine Basis-IT-Infrastruktur werden, “die einen großen und wichtigen Schritt in den digitalen Schulalltag bedeutet. Mit dieser einheitlichen, auf die Schulumgebung zugeschnittenen, geschützten Lösung kann zeitgemäßes Lehren und Lernen in der digitalen Welt gelingen” – so die Homepage des Schulministeriums zu LogineoNRW. Hier gibt es auch eine Präsentation als PDF, die den Entwicklungsstand im Februar 2017 zeigt.

Puh, bei diesem “Workshop”  hatte und habe ich sehr gemischte Gefühle. Positiv ist zu sehen, dass die Entwicklung zum sogenannten “Roll out”, also der Einführung in die Schulen, wirklich weiter vorangeschritten ist. Problem an der Sache: Es dauert einfach viel zu lang. Der eigentlich geplante Starttermin war zum Schuljahr 2016/17, dann Frühjahr 2017 und nun August 2017. Nach Aussage des Geschäftsführers der Medienberatung NRW, Wolfgang Vaupel, fehlt momentan noch die Zustimmung der Personalräte.

In meinen Augen kritische Aspekte:

  • zwar ist die Einführung landesweit geplant, sie ist aber nicht verpflichtend für die Schulen → einheitlicher Standard?
  • kostenlos ist nur die Plattform für Lehrer
  • die Schule entscheidet, ob Schülerdaten ebenfalls aufgenommen werden und Schüler die Plattform nutzen können; dann wird es aber kostenpflichtig (geplant sind 1€ pro Schüler pro (Schul-)Jahr)
  • ein kollaboratives Arbeiten unter Schülern, wie es auch im Medienpass gewünscht wird, ist mit LogineoNRW noch nicht möglich; dieser Schritt ist in einer weiteren Phase geplant
  • die Dienst-Email-Adresse ist recht kompliziert:
  • für die komplette Datenablage und kollaboratives Arbeiten, z.B. an Unterrichtsmaterialien, bekommt jede Lehrkraft 5GB zur Verfügung gestellt
    → mehr Datenspeicher kann die Schule individuell dazukaufen – Kosten?

Wie gesagt, ich habe noch immer gemischte Gefühle. Ich hoffe, es wird kein Flop. Bis es aber so weit ist, muss man sich, was Plattformen und Online-Speicher betrifft, weiterhin in der Grauzone aufhalten…

Workshop: “Filmkompetenz meets Digitale Bildung: Erklärvideos im Unterricht analysieren und produzieren!” von Film+Schule NRW

Mittlerweile gibt es unterschiedliche Arten von Erklärvideos:

  • Das “HOW TO”-Video oder Tutorial, das meist anschaulich mit einer Stimme aus dem Off erklärt, wie etwas funktioniert bzw. wie man etwas macht
    ➡️ Rührei 😁
  • Das Vlogging-Erklärvideo, bei dem der Sprecher mit im Vordergrund steht, Sachverhalte erklärt und meist seine eigene Meinung äußert
    ➡️ Steuerhinterziehung
  • Das “Explainity”-Video, das vor allem mit gezeichneten Elementen komplexe Sachverhalte in Legetechnik ziemlich vereinfacht erklärt
    ➡️ Europäische Union

Man kann also auch mit seinen Schülern in nur einer Stunde ganz passable Ergebnisse erzielen. Der Lehrer ist vor allem in der Planung gefragt, wie z.B. ein Storyboard aussehen soll.

Eine Liste mit Apps für mehrere Betriebssysteme haben die Macher von Film+Schule NRW ebenfalls vorbereitet.👌🏻

Diese Veranstaltung hatte endlich mal den Namen “Workshop” verdient! Wir Teilnehmer wurden intensiv mit eingebunden und konnten sogar mitmachen, wenn wir wollten!

Film+Schule NRW macht seine Sache richtig gut, habe ich das Gefühl. Ich habe mir auf jeden Fall den Termin zu “Filmbildung in der YouTube-Gesellschaft” gemerkt, der am 11. Oktober 2017 in Duisburg stattfinden wird.

Workshop: “Fremdsprachen kompetenzorientiert unterrichten (Sprachhandeln zur Bewältigung realer lebensweltlicher Situationen)”  von Dr. Frank Haß

Auf diesen Workshop freute ich mich besonders, weil er von Dr. Frank Haß angeboten wurde. Er war mit seinem Buch “Fachdidaktik Englisch” quasi der Gott in meinem Studium und Referendariat und nun war ich gespannt, was er zu digitalen Medien und Digitalisierung in der Schule erzählen würde.

Doch dann kam der Hammer: Direkt nach seiner Vorstellung sagte er, er klammere die digitalen Medien “heute mal aus”. Wie bitte? Deswegen waren wir doch alle da – so dachte ich. Okay, ich wollte ihm dennoch eine Chance geben, er war ja nun mal DER Frank Haß.

Er wollte also humorvoll mit einem Video eines Loriot-Sketches starten. Bis er das allerdings zum Laufen brachte, brauchte es mehrere Versuche. Mein Urteil klingt hier hart, aber auch ein Frank Haß könnte hier noch ein wenig medienkompetenter werden.

Seine restliche PowerPoint-Präsentation spiegelte dann auch nur seine Buchinhalte wieder. Um ehrlich zu sein, hätte ich sie also auch halten können. Ich kenne das Buch schließlich (fast) auswendig!

Das führte dazu, dass ich die Veranstaltung frühzeitig verließ. Ich sagte meiner Freundin Bescheid, die in der Veranstaltung zum digitalen Schulbuch war. Auch sie war froh, die Veranstaltung abzubrechen. Der Grund: Die Referentin hob als Vorteil des digitalen Buches hervor, dass Schüler sich Videos direkt anschauen könnten, ohne dass die Lehrkraft die VHS-Kassette weder vor- noch zurückspulen müsse und sie immer gleich an der richtige Stelle sei! Ich konnte es nicht fassen und ließ meine Freundin sogar quasi schwören, dass es sich so ereignet hat. Mir fehlen die Worte 🙈🤦🏻‍♀️

Fazit

Ich schließe mich hier mal dem Twitter-Nutzer Severin an: 

Für die Lehrer, die sich gerade erst an das Digitale heranwagen, war der Kongress sicherlich noch ergiebiger. Mir fehlte das Leitthema “Unterricht in der digitalen Welt” doch auf zu vielen Ebenen.

 

10 Kommentare

  1. Da habe ich ja gerad noch so Glück gehabt. Ich war insgesamt aber genauso überrascht wie du, allerdings hast du dir die “digitaleren” Worskshops bzw. Vorträge ausgesucht. Meine waren durchgängig analog, trotz vielversprechender Titel.

  2. Danke für diese Erlebnisreflexion! Der zitierte Untertitel hat allerdings noch einen zweiten Teil. Könnten die Veranstalter gemeint haben, man müsse den Herausforderungen der digitalen Welt durch individuell gestaltetes Lernen begegnen – egal ob digital oder nicht? Dann wäre das Leitthema ein anderes und die Unterrepräsentation des Lernens mit digitalen Medien besser nachvollziehbar.

  3. Da habe ich ja vielleicht sogar Glück gehabt, dass mich die kranken Kinder zu Hause gehalten haben. Ich hatte schon geahnt, dass die Veranstaltung eher nicht lohnt. Sie wird ja immerhin vom Verband der Bildungsmedien veranstaltet. Die Medien, mit denen der Verband sein meisten Gewinn scheffelt sind halt analog. Als ich vor ein paar Jahren auf dem Kongress war, hatte ich den Eindruck, dass ein nicht geringer Teil der Workshops dazu dienen sollte, Titel aus den im Verband organisierten Verlage zu bewerben. Hier lässt sich vielleicht auch schwer die Brücke ins Digitale schlagen. Und: viele gute Workshopreferenten waren wohl zuvor in Oldenburg und wollten sie evtl. nicht beide Kongresse in Folge “antun”.

    • Ich würde nicht sagen, dass es per se schlecht ist, wenn der Verband für Bildungsmedien das organisiert. Und den Eindruck hatte ich auch nicht, dass in den Workshops eher “Verkaufsgespräche” geführt wurden.
      Aber dass recht viele Termine gleichzeitig stattfanden, wie eben #molol17, war wohl wirklich blöd.

  4. Liebe Frau Toller,
    auch wenn man Feedback eigentlich unkommentiert hinnehmen sollte …. Ich verstehe dies hier auch als Forum und möchte aus diesem Grunde zwei, drei Anmerkungen loswerden. Zunächst einmal hätte ich mich gefreut, wenn wir in Köln miteinander gesprochen hätten. Ich halte den Austausch von Angesicht zu Angesicht zeitnah zum gegebenen Anlass immer noch für unschlagbar … Aber zum Inhaltlichen: Ich sehe den – relativ unkritischen – Hype, der derzeit um das Thema “Digitales” aufgebaut wird mit großer Sorge. Die Haltung “Nur digitale Medien sind gute Medien” ist gefährlich. Harte Fakten, die dies nahelegen, gibt es kaum. Ganz im Gegenteil. Vieles von dem, was da zelebriert wird, ist aus didaktisch-methodischer Sicht einfach schlecht, häufig sogar sachlich falsch. Schauen Sie sich doch bitte beispielsweise einmal die im Netz kursierenden “Erklärfilme” zum Fach Englisch mit kritischer Distanz an. Häufig geht es dort um Englische Grammatik, zumeist um die Tenses. Der Unterricht, der da aufscheint, ist knallharter Grammtik-Übersetzungsunterricht. Aristoteles lässt grüßen … Ich meine, wir folgen derzeit einem falschen Ansatz. Nicht das Medium darf die Ausrichtung des Unterrichts diktieren. Das Medium hat den Zielen und Inhalten zu folgen. Diese didaktische Grundregel scheint derzeit in Vergessenheit zu geraten. Anders ausgedrückt: Die Frage darf nicht lauten: Welchen Beitrag kann / soll der Englischunterricht zur Entwicklung von Medienkompetenz leisten? Die – meiner Meinung nach – richtige Frage ist: Welche – sinnvolle, neue, alternative – Rolle können digitale Medien bei der Entwicklung von Fremdsprachenkompetenz spielen? Und da sind mir bislang, wie oben schon erwähnt, relativ wenige vernünftige, ideologiefreie Antworten begegnet. Außerdem, wie ebenfalls bereits gesagt, die momentan wichtigere Diskussion scheint mir die um die aktuelle Ausrichtung von Bildung (im Fremdsprachenunterricht) zu sein. Aus diesem Grunde habe ich meinen Vortrag auch so ausgerichtet, wie er eben war. Ich meine auch, dass der Titel dies ziemlich klar angekündigt hatte. Lesefertigkeiten sind allerdings auch im “digitalen Zeitalter” wichtig… Zu Ihren Anmerkungen bezüglich meiner Medienkompetenz: Ich weiß nicht, wann Sie Ihren letzten Vortrag im Rahmen eines solchen Kongresses gehalten haben, aber die Umbauzeit zwischen den Veranstaltungen ist recht kurz. In Köln waren das nur wenige Minuten. Und das, was auf dem eigenen Rechner läuft, muss noch lange nicht im Saal laufen…
    Wie gesagt, ich scheue keineswegs die fachliche Auseinandersetzung. Man muss diese allerdings auch suchen …

    Freundliche sonntägliche Grüße,
    Frank Haß

    • Lieber Herr Haß,

      vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben meinen Beitrag zum Bildungskongress zu kommentieren und so den Austausch suchen.

      Ich gebe Ihnen völlig Recht, wenn Sie die Haltung „Nur digitale Medien sind gute Medien“ kritisieren. Das sehe auch ich gefährlich – und dafür stehe ich nicht (ich weiß nicht, ob Sie den Eindruck durch den Blogbeitrag hatten oder dies allgemein sagten).

      Genauso “gefährlich” finde ich aber, wenn man die digitalen Medien völlig ausklammert, so wie Sie es in Ihrem Workshop getan haben. Gerade die “lebensweltlichen Situationen” lassen sich im Sinne des Task-Based bzw. -Oriented Learning wunderbar mit digitalen Medien erfahren.

      Einbinden ist hier das Stichwort, neudeutsch nennen ich es auch gern “aufpimpen”. Digitale Medien sollen nicht alles Analoge ersetzen. Gerade der Mix macht es für mich aus.

      Da Sie fachdidaktisch für mich immer noch “der Gott” sind, wie ich auch in meinem Beitrag schrieb, würde ich mich sehr freuen, wenn wir nochmals persönlich die Chance haben uns darüber zu unterhalten! 😊

      Viele Grüße
      Nina Toller

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