“In English, please!”

Wer kennt nicht diese Aufforderung der Englisch-Lehrkraft, wenn man gerade mal eben nicht die Vokabeln wusste und es schnell auf Deutsch gesagt hat. Egal, ob es zum Thema passte, sogar die richtige Antwort war oder man aufgrund dringlicher Toilettenbedürfnisse nicht mehr auf Englisch denken konnte. Man MUSSTE auf Englisch sprechen, sonst wurde man weder gehört noch verstanden.

Diese Situation ist überspitzt dargestellt, aber trotzdem in Ansätzen in vielen Klassenräumen der Republik noch Realität. Auch ich lernte in meiner Ausbildung zur Englisch-Lehrerin die Maxime: “So oft wie möglich Englisch, so wenig wie möglich Deutsch”. Das gilt vor allem in der Unter- und Mittelstufe.

Die Ursprünge

Das Pochen auf die reine Nutzung von Englisch, also reine Einsprachigkeit, hat historische Gründe: Die Einsprachigkeit war nämlich eigentlich eine große Wende im Fremdsprachenunterricht. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts galt die Grammatik-Übersetzungsmethode, die sich an den alten Sprachen Latein und Griechisch orientierte. Wilhelm Viëtor war mit seinem Werk Der Sprachunterricht muß umkehren! ein großer Teil dieser Reformbewegung und forderte beispielsweise die direkte Methode, sprich die Einsprachigkeit im Unterricht. So wird nur in der Fremdsprache unterrichtet, auch und vor allem die Grammatik. Diese soll von den Lernenden selbst entdeckt werden, rein induktiv also. Viëtor und seine Mitstreiter stellten diese Methode als die authentischste vor.

Klingt doch auch logisch, oder? Man ist umgeben von der Sprache und erlebt einfach die Notwendigkeit durch Gesten, Mimik, Tonlage usw. die neue Sprache zu verstehen. Man befindet sich im “Sprachbad” würden meinen bilingualen Ausbilder sagen.

Verbot der Erstsprache?!

Doch warum sollte man die eigene Erstsprache so verbieten? Als Lateinlehrerin weiß ich, wie fruchtbar die Nutzung der Erstsprache zum Beispiel durch den Verlgeich beider Sprachen ist.

So hat Wolfgang Butzkamm schon in den 1970er Jahren von einer “aufgeklärten Einsprachigkeit” gesprochen: Das „bedeutet die regelmäßige, systematische Mithilfe der Muttersprache im fremdsprachlichen Anfangsunterricht, mit dem Ziel, den Unterricht zunehmend einsprachig, d.h. in der Fremdsprache selbst zu gestalten. Die muttersprachliche Mithilfe zu Beginn wird immer stärker reduziert, je mehr die Lerner fortschreiten. Alles-in-der-Fremdsprache ist das Ziel, aber nicht der Weg. Nur wer ihre Muttersprachen mitspielen lässt, holt seine Schüler da ab, wo sie sind.”

Und genau das möchte ich tun: Meine Schülerinnen und Schüler abholen. Doch dort, wo sie stehen, sieht es ganz unterschiedlich aus! Oft habe ich eine Lerngruppe mit unzähligen Erstsprachen. Die kann ich natürlich nicht alle bedienen, doch kann ich dann das Deutsche als “Vermittler” nutzen und gleichzeitig diese Kenntnisse schulen. Wahrscheinlich hat sich mein Englisch-Unterricht auch von meiner bilingualen Ausbildung und der „bilingualen Realität” im Geschichtsunterricht beinflussen lassen. Ich sehe jedes Schuljahr, wieviel ich in der achten Klasse unterstützen muss, sodass englischsprachige Quellen aus dem 19. Jahrhundert verstanden werden (🤯).

So löse ich mich auch von diesem “Dogma” im Englisch-Unterricht. Nach 10 Jahren Berufserfahrung spüre ich, wann ich auf Deutsch wechseln muss. Es sind vor allem „Phasen der Vokabelvorentlastung, der Kognitivierung von Grammatik sowie der Sprachmittlung, bei denen das Prinzip der Einsprachigkeit unter Umständen durchbrochen werden muss.” (Fachdidaktik Englisch, S. 51)

Ein Beispiel aus der Praxis

Wie also auch an diesem Januartag in Klasse 6: Nachdem sie die unterschiedlichen Steigerungsformen der Adjektive kennengelernt hatten, brauchten sie zur Anwendung nochmals eine Übersicht. Das hatte ich für diese Stunde nicht geplant, so hatte ich auch keine ästhetisch schön vorbereite Präsentation dazu. An der Tafel stehend entschied ich mich dann auch für die deutsche Sprache: So haben sie den Aufbau nach und nach mit nachvollziehen können.

Vorher haben wir Klatsch-Übungen zu den Silben mit Beispiel-Adjektiven gemacht, daher stehen hier die Silben im Vordergrund. Können Sie deswegen nun weniger Englisch? Nee. Haben sie die Silben-Regel für die Steigerung verstanden? Ja! Kennen sie nun sogar den Vergleich mit anderen Sprachen? Auf jeden Fall. Ich habe sie nämlich direkt zu Anfang auf die Ähnlichkeit als Merkhilfe hingewiesen: cold – colder – coldest → kalt – kälter – am kältesten

Außerdem habe ich gefragt, ob sie weitere Sprachen kennen, in denen die Bildung ähnlich ist. Das ist vor allem bei den Adjektiven, die mit “more, most” gesteigert werden, der Fall. Auf Griechisch (das konnte ich als Beispiel geben) gibt es auch die Unterscheidung, welche eine Steigerung am Ende haben oder mit “mehr, am meisten” gebildet werden.

Fazit

Am wichtigsten meiner Meinung nach ist der hohe Anteil des englischsprachigen Inputs und auch die so oft wie möglich verwendete Zielsprache auf Seiten der Schülerinnen und Schüler. Es sollte nicht das Gefühl entstehen, dass andere Sprachen verboten wären. Sie sollen zum Ausprobieren angeregt werden. Und wenn es dienlich ist, kann das auch ruhig mal so eine „chalk and talk”-Einheit sein!

Das steigert sich dann immer weiter bis zur Oberstufe. Da wird dann wirklich nur noch Englisch gesprochen, außer wenn es um die Sprachmittlung geht.

Quellen:

  • https://www.uni-wuerzburg.de/fileadmin/99050601/Downloads_fuer_Studierende/handreichungen_englischdidaktik_wuerzburg.pdf
  • Aufgeklärte Einsprachigkeit, Prof. em. Dr. Wolfgang Butzkamm, http://fremdsprachendidaktik.de/?p=1473
  • Fachdidaktik Englisch: Tradition – Innovation – Praxis, Werner Kieweg, Margitta Kuty, Andreas Müller-Hartmann, Harald Weisshaar

2 Kommentare

  1. Hallo Frau Toller, im Prinzip haben Sie recht und so wie Sie es machen, kann die ‘aufgeklärte Einsprachigkeit’ bei Grammatik- und Lexikvergleich sinnvolle Erkenntnisgewinne und vertieftes Sprachverständnis bringen. Die strikte Einsprachigkeit als Dogma ist sicherlich passé. Bei vielen Ihrer Kolleg:Innen allerdings dient die ‘aufgeklärte Einsprachigkeit’ meiner Beobachtung nach vor allem als Ausrede, doch unnötig große Teile des Englischunterrichts auf Deutsch zu gestalten.

    • Lieber Herr Lohmann,

      vielen Dank für Ihren Kommentar! Das ist sogar eine Sichtweise, die ich gar nicht bedacht hatte. Als Ausrede sollte der Ansatz keinesfalls dienen. Wie gesagt, ich kenne eher die andere Seite, dass NICHTS auf Deutsch passieren darf.

      Darüber mache ich mir weiter Gedanken, Danke für die Anregung!

      Viele Grüße!
      Nina Toller

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