Die Ausgangslage

← Dieser Post von 45Minuten auf Instagram ist der Anstoß für diesen Artikel.

Viele Lehrkräfte kommentierten auf die Fragen, ob sie Gelegenheit zur Notenverbesserung geben und wie.

Die Bandbreite der Antworten und Erklärungen ist groß: es reicht von einfach nur „Nein“ über „Wenn es zum Thema passt“ bis hin zu „Immer, auch eine Stunde vor Zeugnisausgabe“ (im übertragenen Sinn).

Manche Antworten und Begründungen überraschten mich, manche schockierten mich sogar. Daher mische ich mich auf diese Art in die Diskussion ein. 😉

Grundsätzlich gibt es bei mir immer die Option eine „Extra-Aufgabe“ zu übernehmen. Ich habe extra nicht „Leistung“ geschrieben, weil ich nicht immer direkt jede Sache benote. Dazu später mehr.

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Freiwillige Extra-Aufgaben in meinem Unterricht

Wenn ich die Unterrichtsreihe vorbereite, überlege ich mir, welche interessanten Unterthemen es gibt, die ich als mögliche „Referate“ vergeben kann, die ich nicht in der eigentlichen Reihe unterbringen kann oder möchte. Als Randnotiz: Der Lehrplan schränkt ein Thema manchmal ganz schön ein, da nutze ich gern diese Möglichkeit, die ausgelassenen, aber spannenden Themen wieder aufzugreifen. 😇

Beispielsweise erstelle ich dann eine Übersicht mit freiwilligen Themen und der Aufgabenbeschreibung. Hier zwei Beispiele aus dem (bilingualen) Geschichtsunterricht:

Ich möchte nun den Fokus auf die rechte Seite, die Aufgabenstellung legen, in dreierlei Hinsicht:

Punkt 1

Es muss nicht immer ein Referat im engeren Sinne sein; d.h. die Schüler bestimmen, ob sie ihr Thema vortragen oder es nur mir einreichen möchten.

WARUM?

Gerade in den Nebenfächern, die bei uns im 70-Minuten-Modell nur einmal in der Woche stattfinden, kommt es sehr auf die mündliche Mitarbeit an. Wenn aber ein Kind andere Stärken hat als die mündliche Beteiligung im Plenum, und davon gibt es einige, ist es wenig sinnvoll, einen Vortrag zu erzwingen. Es gibt viele Kinder und Jugendliche, die mit großem Interesse ein Thema ausarbeiten, es aber nur der Lehrkraft zeigen wollen. Klar finde ich es dann schade, es nicht „sichtbar“ zu machen. Warum aber sollte ich diese Motivation, etwas aus Interesse extra machen zu wollen, ablehnen?! Übrigens, noch ein Vorteil: Wenn es keinen Vortrag gibt, können auch mehr Menschen ein Thema bearbeiten, es ist dann nicht einfach „vergeben“ und damit ausgeschlossen, obwohl man sich dafür interessierte.

Punkt 2

Die Schüler können sich selbst das Format überlegen, wie sie das Thema vorstellen möchten. Um ihnen zu zeigen, dass sie auch „ungewöhnliche Formate“ nutzen können, nenne ich es „Produkt“ und liste ich immer ein paar Beispiele auf wie z.B. Präsentation, Video, Audio, Poster, Snapchat story, … . (Weiter unten gibt es mehr Beispiele)

WARUM?

Mir ist wichtig, immer auch die Präsentationsfähigkeit mit Vortrag und visueller Unterstützung zu üben. Manchmal bietet sich aber auch ein anderes Format an, weil es entweder besser zum Thema passt oder der Schüler etwas anderes ausprobieren möchte. Wenn man Experte in Snapchat-Stories ist, warum sollte ich diese Kompetenz ausschließen? Dann kann man das doch gut mit dem neuen Wissen verbinden.

Punkt 3

Wenn sie sich für etwas entscheiden, gibt es einen festen Abgabetermin, der gilt. Wenn sie es als Vortrag machen wollten und ich es in meine Stunde eingeplant habe, sie mir dann aber in der Stunde selbst sagen, dass sie es nicht haben, dann bin ich konsequent und sage, dass die Chance dann vertan ist.

WARUM?

Es hört sich vielleicht etwas altbacken an, aber ich möchte auch Zuverlässigkeit und Konsequenz bieten. Das klingt manchmal hart, gleichzeitig wissen die Schülerinnen und Schüler aber auch, dass sie sich darauf verlassen können. Das bringt ihnen manchmal viel mehr als immer wieder „nachzugeben“.

Wichtig: Es gibt bei mir immer quasi eine „Force-Majeure-Klausel“ wegen höherer Gewalt. Wenn plötzliche Termine in der Woche, Krankheit oder familiäre Dinge auftauchen, können sie absagen oder verschieben. Wir haben dann immer eine Lösung gefunden. Sie (müssen) wissen, dass sie sich das trauen können. Das ist ein wichtiger Wert fürs Leben, finde ich.

Und falls sich das nun jemand fragt: Ja, auch wenn am Tag selbst morgens ihr Hamster verstorben ist, sie aber trotzdem zur Schule gekommen sind, ist das ein Fall, in dem ich natürlich einen Aufschub gewähre, wenn sie das wünschen. Meine Prinzipien gelten dann ja immer noch.

Weitere Ideen für alternative Aufgaben

Auf Instagram hat Tess, aka mrskingbell, weitere Alternativen aufgezeigt, die ich hier mit ihrer Erlaubnis zeigen darf:

Extra-Aufgaben außerhalb der Reihe

Auch im Unterricht gibt es immer wieder Fragen von Schülerseite, die ich nicht beantworten kann. Das sag ich dann auch ganz offen und biete klassisch an, ob das jemand übernehmen und vorbereiten möchte. Meistens meldet sich dann jemand und wir können, je nach Fragestellung, in der nächsten Stunde in 2-3 Minuten hören, wie der Hintergrund zu der Frage ist. Beispielsweise können sie dann auch eine Art „Lernkarte“ anfertigen:

All diese Extra-Aufgaben sind dann natürlich Eindrücke, die ich von dem Schüler erhalte und mir meist auch notiere, die am Ende auch die Note ausmachen. Aber nicht jedes „Extra“ ist eine benotete Leistung. Das versuche ich den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass man etwas aus „echtem und reinen Interesse“ machen kann ohne eine Gegenleistung in Form einer Note zu erwarten. Sie erhalten dann oft eine mündliche Rückmeldung, sowohl von mir als auch den Mitschülern.

So habe ich sehr viele unterschiedliche Eindrücke von den Schülerinnen und Schülern, auch in der Anzahl. Da weiß ich nicht, ob ich das falsch verstanden habe, aber manche lehnen diese Extra-Aufgaben ab, weil es dann nicht alle machen können und sie dann von einem Schüler „nur zwei Noten haben, von einem anderen aber fünf“. Ich lass das mal so stehen, weil, wie gesagt, diese Denkweise mir unlogisch erscheint.

Notwendige Transparenz

Trotzdem ist es wichtig, immer mal wieder die Zwischennoten transparent zu machen. Das ist etwas, woran ich ständig an mir arbeite, wie ich das gut machen kann – das braucht einen separaten Beitrag. Doch wenn meine Schützlinge ungefähr wissen, wo sie stehen, kommt man auch nicht auf beiden Seiten in die Bredouille, kurz vor Notenschluss auf der einen Seite noch etwas einreichen und es auf der anderen Seite kontrollieren zu müssen.

Wie gesagt den Zwischenstand allen Beteiligten klar zu machen ist auch noch eine Sache bei mir, die ich nicht in allen Klassen und Kursen zu jeder Zeit schaffe, aber ich arbeite daran.

Wenn ich einen Zwischenstand recht klar gemacht und diverse Angebote im Schuljahr gemacht habe, dann jemand gefühlt eine Stunde vor Notenschluss zu mir kommt und noch etwas machen möchte, um beispielsweise von einer „4“ auf eine „3“ zu kommen, erkläre ich ganz in Ruhe, dass das wohl nicht klappen wird: Eine kleine Rechercheaufgabe, die ja dann in kürzester Zeit bearbeitet werden muss, kann nicht ein ganzes Halbjahr an sonstiger Mitarbeit ab- bzw. überdecken und solch einen Notensprung ausmachen. Denn, auch das versuche ich immer sehr einfühlsam zu kommunizieren, nur WEIL man noch etwas gemacht hat, heißt das nicht automatisch, dass die Note dadurch verbessert wird – beispielsweise, weil es noch „mal eben schnell“ gemacht werde wollte / musste und dadurch eine schlecht recherchierte Arbeit wurde. Dann setze ich mich gern mit dem Schüler hin und überlege Strategien für das nächste Halbjahr – gern auch mit Extra-Aufgaben.

Eigene Grenzen kennen

Zum Schluss möchte ich noch eine Sache nennen, die mir auch wichtig ist – das hat jemand sogar auch so ähnlich kommentiert. Es gibt Phasen im Schuljahr, da bin ich sehr zB mit Korrekturen oder dem Abitur überlastet, dann kann ich kaum Extra-Aufgaben annehmen und in angemessener Zeit eine Rückmeldung geben. Ich finde auch diese Belastungsphasen zu kommunizieren sehr authentisch.

Entweder richte ich dann eine Art „Schreibwerkstatt“ ein (zB in Englisch), sodass die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeiten untereinander austauschen und so mindestens zwei Rückmeldungen erhalten. Oder ich erhöhe die Rückgabefrist und sage klar, dass ich es erst in x Tagen / Wochen wieder zurückgeben kann.

Fazit

Wie ich hörte, sind leider einige Kommentare wieder gelöscht worden, die es strikt ablehnten, wenn Schülerinnen und Schüler noch eine Extra-Aufgabe zur Notenverbesserung bearbeiten möchten. Vielleicht wurde die Meinung ja geändert. Vielleicht dürfen in Zukunft noch mehr Schülerinnen und Schüler aus ihrem Interesse lernen. Ich hoffe es.

Um auch noch auf das Bild des Trojanischen Pferdes einzugehen: Ich habe die Erfahrung gemacht, wenn man diese Extra-Aufgaben ganz selbstverständlich einbindet und anbietet und auch transparent genug ist, man nicht plötzlich mit den Referatsanfragen einer ganzen Klassen rechnen muss.

Wenn doch, lief vorher vielleicht nicht alles ganz günstig für die Lernenden. 😇 😈

Beitragsbild: Pixabay License, Free commercial use, https://pixabay.com/photos/student-typing-keyboard-text-woman-849828/

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