Wer Wege sucht, die jetzige Situation im Nahen Osten im Unterricht zu thematisieren, kann hier eine kleine Übersicht an Material und Ideen finden. Es ist auf keinen Fall perfekt oder vollständig, dazu bräuchte man auch in der Schule nicht nur die eine oder andere Stunde. Die meisten Kinder und Jugendlichen haben aber Fragen und Sorgen und brauchen einen Raum, den sie nutzen können, um genau diese Fragen oder zumindest ihre Gefühlswelt zu besprechen.

Daher zeige ich euch hier ein paar Ideen – wie gesagt, gerade bei solchen Themen kommt es sehr auf das pädagogische Fingerspitzengefühl an. Überlege daher genau, was zu deiner jeweiligen Lerngruppe passt!

Meine Materialien

Da der jüngste Angriff während der NRW-Herbstferien passierte und ich daher nicht wusste, inwieweit die Schülerinnen und Schüler bereits zu Hause darüber gesprochen hatten, ließ ich sie erst einmal reflektieren, ohne es “aufzudrängen”.

Bei Mentimeter fragte ich also sehr offen, was sie beschäftigt. Nur wenn sie das Thema selbst in diesen Aussagen ansprachen, wollte ich reagieren.

Außerdem wollte ich es so anonym wie möglich haben: Ich erklärte, dass man nicht sehen kann, WER etwas gesendet hat. Außerdem teilte ich nicht den Link zu den Antworten, sodass die Schüler nur das Textfeld für ihre eigenen Aussagen sahen, nicht aber die Ergebnisse. Die schaute ich mir auf meinem eigenen Gerät an.

→ Wie du eine Umfrage bei Mentimeter erstellst? In diesem Video zeige ich es dir.

Übrigens: Auch wenn du gerade nicht die erste Stunde nach den Ferien hast, sondern vielleicht die zweite oder dritte, kannst du diese Vorlage nutzen. Ändere doch einfach die “Herbstferien” ab: “In letzter Zeit”, “In den letzten zwei Wochen”, usw. Es ist auf keinen Fall zu spät eine Unterrichtsstunde mit diesem Thema “einzuschieben”.

Zurück zum Vorgehen: Wie gesagt, wenn mehrere Aussagen oder Fragen zu diesem Thema kamen, fragte ich die jeweilige Klasse, egal übrigens, ob Jahrgang 8 oder 5, ob sie darüber sprechen möchten. Wenn ja, habe ich erst einmal mit Karten angefangen:

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→ Wenn du dir die Präsentation mit diesen Karten herunterladen möchtest, kannst du das hier tun:

Karte 1

Erst einmal ist für viele Kinder und Jugendliche eine Einordnung wichtig, wie nah bzw. fern die Situation für sie ist. Dazu habe ich bei StepMap eine Karte erstellt, um die drei Länder farblich hervorzuheben. Natürlich kannst du das auch über andere Karten wie z.B. GoogleMaps zeigen. So fand ich es übersichtlicher. Zu dieser Karte sage ich ungefähr folgende Dinge:

  • Um überhaupt zu wissen, worüber wir sprechen, habe ich euch auf dieser Karte die Länder hervorgehoben. Sicherlich kennt ihr das Mittelmeer mit Italien, Griechenland und Türkei beispielsweise. Oben im Norden seht ihr Deutschland. Es ist also gar nicht so weit weg, aber auch nicht nebenan. Daher spricht man vom “Nahen Osten”.
  • [Stelle dich bei jüngeren Klassen darauf ein, dass hier auch Kommentare kommen wie “Ach, in XY war ich schon im Urlaub!” oder “Da, aus XY, kommen meine Eltern her!”. Das meinen die Kinder nicht böse und zeigen auch kein DESinteresse. Das sind normale kindliche Äußerungen, das hält man dann aus.]

Karte 2

Dann zeige ich das Gebiet etwas näher. Einmal mit einer politischen Karte, die auf den ersten Blick die abgegrenzten Gebiete zeigt, dann mit einer Karte mit mehr Details durch die Ortsnamen. Leider werden Einige bereits Orte wie Aschkelon in den letzten Tagen öfter gehört haben.

Karte 3

Damit sie auch eine konkrete Übersicht über die palästinensischen Gebiete bekommen, habe ich diese weitere Karte hinzugefügt. Hier gehe ich z.B. auf Orte wie Bethlehem oder Jericho ein und vermute, dass sie sie aus der Bibel bzw. dem Religionsunterricht kennen könnten. In der 5. Klasse heute wussten viele Kinder, dass die “Jesusgeschichte”/”Weihnachtsgeschichte” in Bethlehem spielt.

Vorwissen sammeln und überprüfen

Nun fragte ich die Klassen, ob sie bereits etwas gehört/gelesen haben und ob sie sich dazu äußern möchten. Ggf. bringe ich Aussagen von der Mentimeter-Umfrage mit ein. So hat bspw. eine Person gesagt, dass sie bereits Videos mit Opfern gesehen habe. Eine weitere Person berichtete, dass in einem Video von einem “Gegenangriff” auf Israel gesprochen wurde.

Solche Dinge würde ich dann aufgreifen und sehr behutsam damit umgehen.

Da mich bei Instagram manchmal Nachrichten erreichen, die explizit fragen, was genau ich in solchen Situationen sage, nehme ich hier das erwähnte Beispiel auf und stelle das Gespräch ein bisschen nach, auch wenn es mir etwas komisch vorkommt.

  • “Zuerst frage ich die Klasse: hat sonst jemand das Wort “Gegenangriff” z.B. in einem Video gehört oder gesehen?” [je nachdem, nicken oder verneinen]
  • “XY, wie verstehst du denn den Begriff?” [Schüler erklärt, dass es ja dann vorher etwas gegeben haben muss]
  • “Genau, ordnen wir den Begriff mal ein. Seit Jahren gibt es immer wieder Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern, vor allem zwischen den Regierungen auf den unterschiedlichen Seiten. Einige Personen sehen das aktuelle Vorgehen der Hamas, also der Terrororganisation in Gaza, als Gegenangriff für das an, was Israel in der Vergangenheit mit ihnen gemacht haben soll: sie sprechen von unerlaubter Erweiterung des israelischen Gebiets, von Blockaden von Lebensmittellieferungen, usw.”
  • “Inwiefern solche Beschuldigungen stimmen oder sogar schlimmer sind, kann auch ich nicht sagen, weil ich es schlichtweg nicht überprüfen kann. Ich kenne Berichte, dass es vielen Menschen in Gaza nicht gut geht und unter anderem deshalb auch humanitäre Hilfe geschickt wird.”
  • “Was ich aber ganz klar sagen kann: Was dort am 7. Oktober passierte, hat Israel völlig überraschend getroffen. Die Bevölkerung war auf nichts vorbereitet. Vor allem sind dabei unschuldige Menschen gestorben. Dieser Angriff ist eindeutig zu verurteilen und meiner Meinung nach nicht zu rechtfertigen.”
  • “Hinzu kommt, dass dadurch wiederum auf der palästinenschen Seite so viele Menschen, vor allem auch Kinder und Jugendliche, in Gefahr sind und bereits ihr Leben verloren haben – weil nun Israel den “Gegen-Angriff” übt.”
  • “Wir sehen also schon jetzt, dass es kompliziert ist, wenn es darum geht, wer Recht oder Schuld hat. Aber so ein Krieg ist einfach nur bitter und schrecklich.”

Das weitere Vorgehen hängt von der Klassenstufe ab

Je nachdem, wie ich die Klasse einschätze, zeige ich dann das Video von MrWissen2Go. Grob gesagt würde ich es ab der 9. Klasse einsetzen, bei der 8. Klasse in Latein hat es auch geklappt.

In diesem Video erklärt Mirko Drotschmann meiner Meinung nach alles sehr objektiv und ausgewogen. Es werden vor allem keine brutalen Bilder gezeigt, man sieht zwar Raketen und Kämpfer in Hamas-Uniform, aber keine blutigen oder gewaltvollen Bilder.

In den unteren Klassen, wie auch heute in der 5, zeige ich das Video nicht. Da erzähle ich ein wenig geschichtlichen Hintergrund selbst, dann mit den Karten oben als visuelle Unterstützung.

Auch hier kann ich eine grobe Übersicht geben, was ich sagen würde. Nochmal als Hinweis: Das ist so sehr heruntergebrochen, da schüttelt es mich eigentlich als Geschichtslehrerin. Dennoch muss ich beachten, was eine 5. Klasse überhaupt verstehen kann.

  • “Bereits vor über 2000 Jahren haben Juden in dieser Region gelebt, so kann man es z.B. auch in der Bibel erfahren, allerdings haben sich nicht alle Menschen dort miteinander verstanden und manche Gruppen haben die Juden vertrieben.”
  • “Deshalb sind viele Juden in ganz viele unterschiedliche Länder der Welt ausgewandert und wohnten dort, später z.B. auch hier in Deutschland oder den USA.”
  • “Doch irgendwann, weil viele Juden auch in den anderen Ländern nicht immer akzeptiert wurden, wollten sie ihr eigenes Land haben, in dem sie sicher leben konnten.”
  • “Ganz viele Länder, die zusammen arbeiten, die sogenannten Vereinten Nationen, haben dann entschieden, dass das ursprüngliche Gebiet am besten dafür geeignet sei.”
  • “Also sollte in dieser Region im Jahr 1948, vor 75 Jahren, der Staat Israel entstehen.”
  • “Doch der Ort war ja nicht leer: Es lebten bereits Menschen dort, z.B. arabische und eben auch einige jüdische Menschen.”
  • “Sie mussten akzeptieren, dass sie nun in einem anderen Land lebten und sich das Gebiet mit vielen Juden teilten, die neu dorthin zogen.”
  • “Manche Menschen vor Ort, auch in den Ländern um das neue Israel herum, fanden das überhaupt nicht gut und griffen militärisch an.”
  • “Doch obwohl der Staat Israel so neu war, gewann er trotzdem – und hat sich sogar noch etwas vergrößert.”
  • “Viele Palästinenser flohen daraufhin, unter anderem in die Nachbarländer, z.B. nach Libanon.”
  • “Seitdem streiten sie sich um das Land: Beide Seiten wollen manchmal mehr haben.”
  • “Im Jahr 1987 gründete sich dann die sogenannte ‘Hamas’. Sie sind in Gaza [auf Karte zeigen], wollen den Staat Israel vernichten und das gesamte Gebiet für Palästina haben. Das wollen sie mit Gewalt durchsetzen.”
  • “Auf der anderen Seite gibt es die Palästinenser hier [auf Karte das Westjordanland zeigen]. Die Regierung dort will eigentlich akzeptieren, dass es zwei Staaten gibt: einen für die Israelis und einen für die Palästinenser.”
  • “Leider können sich die Seiten nicht einigen, sodass es schon viele Jahre Konflikte gibt.”
  • “Die aktuelle Situation ist aber sehr brutal. Was dort am 7. Oktober passierte, hat Israel völlig überraschend getroffen. Die Bevölkerung war auf nichts vorbereitet. Vor allem sind dabei unschuldige Menschen gestorben. Was die Terrorgruppe Hamas gemacht hat, ist einfach nur schlimm und böse.”
  • “Israel versucht nun die Hamas zu bekämpfen. Dadurch sind auf der palästinensischen Seite so viele Menschen, vor allem auch Kinder und Jugendliche, in Gefahr und haben bereits ihr Leben verloren.”
  • “So ein Krieg ist einfach nur bitter und schrecklich.”

Abschlussdiskussion

Wenn die Schülerinnen und Schüler nun einen Überblick haben, schließe ich eine erneute Frage- und Diskussionsrunde an. Ich habe die beste Erfahrung mit einer Mischung aus Wortmeldungen im Plenum und zurück zu Mentimeter, wo jeder nochmal für sich eine Rückmeldung, Frage, einen Gedanken oder ein Gefühl äußern kann. Das kann dann in den folgenden Stunden nochmal aufgegriffen werden. Denn man hat es dann nicht einfach “abgehakt” und ist fertig. Es geht ja gerade aktuell weiter – wie viele Geschehnisse auf der Welt. Daher brauchen die Schüler auch regelmäßig solche “aktuellen Stunden”.

Fast goldig sind manche Antworten und Lösungsvorschläge der Schüler:

“Warum kann man nicht einfach eine Grenze ziehen und alle leben friedlich auf ihrer Seite? Wenn dann doch jemand einfach über die Grenze geht, geht er ins Gefängnis.”

“Warum hasst man denn jemanden so, dass man ihn töten will?”

Weiteres Material

Auf Instagram habe ich ich gesehen, dass bereits einige Lehrkräfte Material erstellt haben, um über den Konflikt im Unterricht zu sprechen. Diese verlinke ich hier gern – Danke für eure Arbeit!

Zur Information – nur für die Lehrkraft, eher nicht für die Schülerinnen und Schüler:

Gerne werde ich diese Sammlung erweitern.

Fazit

Ich finde es mittlerweile nicht nur schwierig, sondern fast unmöglich, was ich als verlässliche Quelle ansehen kann. Ganz abgesehen von Videos, die z.B. durch dein Einsatz einer KI komplett echt wirken oder gestellt sind.

Fest steht: Das Thema polarisiert total. Es werden Meldungen veröffentlicht, die entweder ganz falsch oder teilweise irreführend sind. Manche sind vollkommen unmenschlich und stellen sich im Nachhinein als falsch heraus. Doch der “Rückruf” kommt nur bei wenigen Menschen an. The damage is done.

Was aber dadurch passiert: Der Hass wird geschürt und an völlig andere Orte übertragen. Ich hörte vorhin die erste Meldung einer versuchten Brandstiftung in einer Synagoge. Muslime werden bespuckt. Ein muslimischer Junge in den USA ermordet.

Die Menschen vor Ort leiden sehr. Daher sollte ich jeder drei Mal überlegen, welches Urteil er aus der Ferne fällen und welche Meinung er sich bilden will. Hass und Wut sind dabei keine guten Berater.

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