Kennenlernen
Glücklicherweise suchte ich mir den Workshop zum “mbook”, dem digitalen Geschichtsbuch, von Florian Sochatzy bei dem Kongress ExcitingEdu 2016 in Berlin aus. (Hier ist ein Demokapitel des Buches.)
Seine anschaulichen Ausführungen zum mbook überzeugten mich schon dort. Besonders aber seine Thesen bewegten mich dazu, dieses digitale Buch in meine Schule zu bekommen:
Also stellte ich das mbook am Anfang des Schuljahres 2016/17 in meiner Geschichtsfachschaft vor, zeigte das Probekapitel und bot meine eigene neunte Klasse als “Testobjekt” an. Auch hier hatte ich wieder Glück, dass die zwei Schülervertreter in der Konferenz Schüler genau dieser Klasse waren und ich sie mit meiner Begeisterung ansteckte. Wir einigten uns also auf eine Testphase im zweiten Halbjahr in dieser Klasse und wollten im neuen Schuljahr eine Evaluation zum Buch durchführen (die hoffentlich auch alle anderen überzeugen wird).
Die ersten Schritte waren also getan. Ich fragte per E-Mail nach einer Klassenlizenz und erklärte unser Testvorhaben. Auch der Schulleiter war einverstanden und so konnte ich mich an die Vorbereitung machen.
Voraussetzungen an meiner Schule
Wir haben mittlerweile zwar recht schnelles Internet (LAN), dennoch kein WLAN und auch keine Tablets, Notebooks oder sonstige mobile Geräte an der Schule.
Ich musste mich also gemäß des BYOD-Konzepts (“Bring your own device”) auf die Smartphones der Schüler verlassen. Dass jeder eins zur Verfügung hatte, wusste ich bereits aus den diversen Einsätzen in meinen Englischstunden mit dieser Klasse.
Das Problem: Das Datenvolumen der Schüler. Ich kann nicht voraussetzen, dass die Schüler alle immer genug Datenvolumen für meinen Unterricht übrig haben. In vorigen Stunden und in anderen Fächern habe ich oft einen Hotspot über meine eigenen mobilen Daten geschaffen, sodass ich so bis zu 10 Schüler ins Internet bringen konnte.
Es musste also eine Zwischenlösung her: Kurz vorher hatte ich den Lehrer “bequatscht”, der Administratorrechte für unser iServ-System hat. Dieser hat dann mein MacBook im System angemeldet, sodass ich wiederum das Schulinternet per Kabel anschließen und einen Hotspot für die ganze Klasse in dem Klassenraum geben kann.
Doch es gab noch immer ein Problem: Der kleine Bildschirm der Smartphones.
Der technische Vorlauf
Da das mbook browserbasiert ist, kann ich es zwar auf jedem Gerät – also auch unabhängig von dem Smartphone-Modell – aufrufen, der Bildschirm ist aber zum regelmäßigen Arbeiten wirklich zu klein.
Also rief ich im städtischen Schulmedienzentrum an und fragte, ob ich dort Tablets für dieses Projekt ausleihen könnte. Die gute Nachricht: Es ist möglich. Die schlechte: Bis ich die Tablets hatte, musste ich erst eine Odyssee hinter mich bringen, die man hier nachlesen kann.
Als ich mit dem Koffer voller iPads inklusive Apple TV, Airport und sogar MacBook Air ankam, stand ich vor dem nächsten Problem.
Damit ich das alles nutzen konnte, musste jedes einzelne Gerät ebenfalls bei iServ angemeldet werden. Der Lehrer meines IT-Vertrauens (mit Admin-Rechten) verbrachte sage und schreibe knapp drei Stunden mit mir und den Geräten, bis sie in das System eingepflegt waren und wirklich alle Internetzugang hatten.
Puh! Was für eine Vorarbeit! Die ging allerdings noch weiter. Was ich naiverweise nicht bedacht hatte, war, dass die iPads natürlich in einer Art Education-Modus waren und in diesem Modus gar keinen AppStore hatten, sodass ich weitere nützliche Apps fröhlich installieren könnte. Also machte ich einen Termin mit dem zuständigen Medienberater aus, der an meine Schule kam und meine Wunschapps – ebenfalls in einer etwas längeren Session – installierte. Nun konnte ich auch StopMotion-Videos drehen, GoogleDocs schreiben und Bilder mit Chatterpix zum Sprechen bringen lassen.
Hier also schon ein Tipp: Wenn man einen Tabletkoffer ausleihen möchte, sollte man direkt einen Termin vor Ort ausmachen oder dem Medienberater sagen, welche Apps man braucht, sodass diese im Voraus installiert werden können.
Umsetzung im Unterricht
Durch die Klassenlizenz des mbook bekam jeder Schüler seinen eigenen Account mit Benutzernamen und Passwort, um das neue, digitale Geschichtsbuch auch so individuell wie möglich nutzen zu können.
Die erste Stunde mutierte allerdings zur “Installationsstunde”, da wir nicht nur die Zugänge für das mbook erstellen mussten, sondern auch den Umgang mit den iPads, den Apps und der besonderen Präsentationsform über AirPlay proben mussten.
Inhaltlich gesehen bearbeiteten wir mit dem mbook den Nationalsozialismus, den Zweiten Weltkrieg und das große Thema “Deutschland und die Welt nach 1945”.
Zusammen mit dem mbook wurden BaiBoard, PuppetPals und vor allem der BookCreator zu den Lieblingsapps der Schüler. Die Schüler waren – und sind – begeistert!
Hier sind ein paar Eindrücke aus dem Unterricht:
In (fast) jeder Stunde führten wir eine kleine Feedbackrunde durch, um das Buch an sich, die Arbeit mit dem iPad und die “neuartige” Unterrichtssituation zu diskutieren.
Evaluation und Feedback
Was die Schüler Positives sagen:
- Sortierung: Die Kapitelübersicht ist sehr gut gemacht. Man muss die Form der Sortierung mit dem oberen und unteren “Button” einmal verstehen, dann findet man sich gut zurecht.
- Genialer Medienmix: Besonders die unterschiedlichen Möglichkeiten, sich Wissen aus Bildern, Videos, Texten, Animationen und vielem mehr mit nur einem Klick anzueignen ist optimal.
- Gute Kürzung: Gerade die Text-Quellen zeigen einem das Wesentliche und sind nicht unnötig lang. Methodisch gut ist, dass man die Kürzungen erkennen kann.
- Markierungsoption: Es ist hilfreich, dass man in den Texten wichtige Teile in verschiedenen Farben markieren und sogar mit Notizen versehen kann.
- CC-Lizenz: Viele benutzte Bilder sind “frei”, sodass man diese direkt für eigene Projekte weiterverwenden kann.
Was die Schüler zu bemängeln hatten:
- Textfelder: Manchmal gab es Schwierigkeiten auf dem iPad das ganze Fenster, also seinen eigenen eingetippten Text zu sehen. Nach einem Hinweis an das mbook-Team ging es zwar besser, es war aus Schülersicht noch immer nicht optimal.
- Anordnung des gesamten Buches: Für manche Schüler war die Scroll-Ordnung nicht so übersichtlich wie eine “Buchform”.
Ihre Verbesserungsvorschläge:
- Textfelder von vornherein größer anlegen, sodass sie gut sichtbar sind und man mehr Text sehen kann
→ Idee: eventuell könnte das mbook mit einem Texteditor verbunden werden - Markierungsoptionen sollten besser hervorgehoben werden, man stößt vielleicht nur zufällig darauf
→ Idee: man könnte wirklich “Schreiben”/”Markieren” statt Symbole dafür benutzen - Übersichtsseite über Notizen und markierte Teile einbauen, sodass man zum Beispiel auf der Startseite direkt darauf zugreifen kann und einen Überblick hat
- Offline-Möglichkeit für bereits angesehene Kapitel anbieten, die dann aktualisiert werden, sobald man online ist (z.B. Textfelder)
→ Wenn man mobil ist, hat man nicht immer Internet zur Verfügung - Kosten: Die Bereitschaft für das Buch zu zahlen ist durch die positive Erfahrung hoch, sie sollten aber angemessen sein, vor allem im Vergleich zu einem für Schüler kostenlos geliehenen Buch von der Schule
Warum die Schüler das mbook empfehlen würden:
- Man hat es “überall dabei”
- Man bekommt einen sehr guten Medienmix geboten, mit dem man vor allem individuell lernen kann
- Dadurch empfindet man auch, dass dieses Buch umfangreicher und viel anschaulicher ist als ein reines Papierbuch
- Der Umgang mit dem Buch in Verbindung mit dem iPad bietet eine gute Vorbereitung auf digitale Medien im Beruf und bringt so viel mehr Spaß und Motivation
Meine Eindrücke aus Lehrersicht:
Alles in allem bin ich vollauf begeistert und könnte mir vorstellen auch in anderen Klassen und zu anderen Themen mit dem mbook zu arbeiten. Die Inhalte sind nicht nur schön, sondern auch gut aufbereitet und die sogenannten “Meta”-Teile für die Lehrer sind ebenfalls hilfreich. Was mir besonders gefällt sind auch die externen Anbindungen zu SEGU-Geschichte und den LearningApps beispielsweise. Diese Verknüpfung bietet den Schülern eine noch größere Bandbreite an Material und “Input”, was aber keinesfalls zu einem Reizüberfluss führt.
Was mir persönlich gut geholfen hat, ist die dazugehörige Facebook-Gruppe. Dort konnte ich kleine (technische) Probleme ansprechen oder Hinweise geben und bekam fast augenblicklich eine Antwort mit einem Lösungsvorschlag.
Was ich mir inhaltlich wünschen würde, wären kleine, vielleicht stichwortartige Erwartungshorizonte zu manchen Aufgabenstellungen. Ich habe selbst manchmal das Problem direkt zu verstehen, was mit einer “fremden” (= nicht von mir selbst gestellten) Aufgabe gemeint ist und was Schüler damit machen sollen. Wenn ich dann einen Vorschlag hätte, was erwartet wird, kann ich auch den Schülern wiederum Tipps gehen, wie es gemeint ist.
Meine Empfehlung für dieses digitale Geschichtsbuch ist also auf jeden Fall gegeben. Das sich nun anschließende Aber hängt nicht mit dem Buch, sondern vielmehr mit den technischen Vorraussetzungen zusammen.
Mein Twitter-Geschichtskollege Marc Albrecht-Hermanns nennt es die Rüstzeit, die Lehrer brauchen, um die Technik für ihre Stunden in Gang zu bringen. Bis ich den iPad-Koffer im Raum, die ganze Technik angeschlossen und das Internet bereit hatte, sind wirklich einige kostbare Minuten vergangen. Ich musste also, um die sowieso schon wenige Unterrichtszeit nicht mit Aufbau zu verschwenden, immer in meinen Pausen vorher im Raum sein und aufbauen. Selbst zu Assistenten auserkorene Schüler waren oft früher da, um alles mit vorzubereiten. Dennoch konnten wir nie ganz pünktlich beginnen. Ideal ist es also nur, wenn die angesprochene Rüstzeit gering gehalten wird und alles “bereit” ist: Sowohl das WLAN als auch die Geräte der Schüler (und zwar nicht ihre Smartphones!) sind direkt verfügbar.
Wie gesagt, es geht zwar so, wie ich es gemacht habe, auch gut, aber für mich keineswegs zufriedenstellend von technischer Seite aus.
Weitere Informationen zum mbook
- Das mbook wurde jüngst Teil der Cornelsen-Gruppe – nicht nur ich finde es wohl toll und gut für den modernen Geschichtsunterricht geeignet 😉 Hier der Artikel bei Bildungsklick und hier vom Mediennetzwerk Bayern dazu.
- Interessant ist das mbook auch für inklusiven Unterricht, da man zum Beispiel die Schriftarten sowie Hintergrundfarben ändern oder sich Teile vorlesen lassen kann. Der Artikel “Lehrkräfte fit machen für inklusiven Geschichtsunterricht” gibt mehr Details dazu.
- Einer der Mitarbeiter am mbook und geschätzter Twitter-Kollege Kai Wörner bot vor Kurzem zusammen mit Josef Buchner ein Webinar zu “Geschichtsunterricht 4.0” an. Die Aufzeichnung davon ist bei Youtube zu sehen, ab 1:18:30 wird das mbook genauer behandelt.
Danke für die tollen 😉 Beiträge. Es ist jedesmal eine echte Bereicherung und Inspiration für den besten Job der Welt…
Dankeschön zurück ☺️